Deutschland

6710 readers
2 users here now

Sammelbecken für deutsche Kartoffeln und ihre Geschichten über Deutschland.

Nicht zu verwechseln mit !dach und !chad.

Regeln

Bundesländer:

founded 3 years ago
MODERATORS
801
802
 
 

Ich verstehe es nicht. Überall wird gejammert und gebarmt, dabei war doch von vornherein klar, dass die Reduzierung auf den verringerten Mehrwertsteuersatz nur vorübergehend ist. Das wurde schon einmal verlängert.

Und abgesehen davon, dass das nur für Vorort Verzehrtes gilt, Essen zum Mitnehmen bleibt bei 7%, ist es ja nicht so, als würden wir da nicht schon seit rund fünf Jahren sehen, dass die Preisschraube eskaliert. Döner für 8€? Sorry lieber Dönermann, damit kann ich für zwei kochen. Die billigste Lieferpizza für 14,50€. Moment - wieso ist die kleiner als früher?

Wir haben unsere Essensbestellungen drastisch reduziert, nicht erst seit den jüngeren Ereignissen. Na ja. Eigentlich bestellen wir gar nicht mehr. Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt einfach nicht mehr. Und wenn das so ist, ist das so. Komischerweise hat unser Lieblingsgrieche die Preise in den letzten fünf Jahren um nicht einmal fünfzehn Prozent erhöht. Sagen die alten Haushaltsbücher. Aber der Dönermann um 80%.

Sachen gibt's …

803
 
 

In der Bundesregierung braut sich etwas zusammen. Das Karlsruher Urteil stürzt die Koalition in eine akute Haushaltskrise. Anders als SPD und Grüne fordert FDP-Chef Lindner, nur mit dem verbliebenen Geld zu wirtschaften. Manches erinnert an Genscher 1982, der SPD-Kanzler Schmidt die Koalition aufkündigte.

Die Ampel-Koalition steht vor einer dramatischen Zerreißprobe. In Berlin mehren sich die Hinweise, dass die FDP die Regierungsbeteiligung zeitnah infrage stellt, falls Grüne und SPD nicht zu einer grundlegenden Wende in der Finanzpolitik bereit seien. Als Warnschuss verfügt Bundesfinanzminister Christian Lindner bereits eine Haushaltssperre auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt für das Jahr 2023. Aus der FDP-Bundestagsfraktion ist zu hören, dass die Chancen auf das Ende der Koalition "noch in diesem Winter" geradezu "stündlich steigen".

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Haushaltsmanöver der Ampel gekippt hat, ist ein Grundsatzdissens ausgebrochen. SPD und Grüne wollen über Steuererhöhungen, neue Kredite und ein Aussetzen der Schuldenbremse neues Geld für ihre Ausgabenpläne besorgen. So sagte der grüne Vize-Kanzler Robert Habeck: "Also müssen wir das Geld an anderer Stelle finden beziehungsweise aufbringen." Die FDP will genau das nicht. Für Lindner sind bestimmte Leitplanken unverhandelbar: "einerseits die Schuldenbremse, bei der wir neue Rechtsklarheit haben, andererseits der Verzicht auf Steuererhöhungen." Wechselseitige Vorwürfe kochen bereits hoch, der Ton wird schärfer.

Aber anders als in früheren Streitlagen der Koalition geht es diesmal nicht um ein Einzelgesetz, sondern um den Masterplan der Ampelpolitik - und die FDP scheint fest entschlossen, hart zu bleiben.

[...]

Und so bäumt sich in der FDP jetzt das große Narrativ von der "Genscher-Wende" auf. Immer mehr Liberale empfehlen Lindner, nicht wie Westerwelle blind in den Untergang zu laufen, sondern wie Hans-Dietrich Genscher 1982 die Regierung vorzeitig platzen zu lassen. Genscher kündigte dem damaligen SPD-Kanzler Helmut Schmidt die Gefolgschaft auf, weil der sich gegen seinen linken Parteiflügel kaum mehr durchsetzen konnte, Deutschland als Wirtschaftsstandort in einer Energiekrise schwer litt und die Staatsfinanzen aus dem Ruder liefen. Die Verhältnisse ähneln sich. Die Haushaltskrise könnte daher genau das bewirken - dass Lindner nicht den Westerwelle, sondern den Genscher macht und die unbeliebte Koalition in einer trüben Dezember-Stimmung bald platzen lässt.

{...]

804
 
 

IW-Chef Michael Hüther plädiert für eine Reform der Schuldenbremse, um den Umbau der Wirtschaft zu finanzieren. "Ohne diese Investitionen werden wir das Ziel der Klimaneutralität zeitlich nicht erreichen", sagt er im Interview mit ntv.de. Auch eine Senkung der im internationalen Vergleich sehr hohen Unternehmenssteuern sei mit der Schuldenbremse in ihrer heutigen Form nicht möglich. Der Union und der FDP wirft Hüther vor, sich der Diskussion zu verweigern. "Ich finde es intellektuell unwürdig, eine einmal zufällig gefundene Regel als heilige Veranstaltung zu bewerten."

ntv.de: Wie soll es nach der Haushaltssperre weitergehen?

Michael Hüther: Die Haushaltssperre führt dazu, dass die Verunsicherung über die budgetpolitisch begründeten Rahmenbedingungen deutlich zunimmt, da es nicht mehr nur um die Ausgaben des Klima- und Transformationsfonds und des Wirtschaftsstabilisierungsfonds geht. Die Bundesregierung muss nun schnellstens einen verfassungskonformen Haushalt für 2024 erstellen. Die lähmende Wirkung auf die ohne in der Stagnation verharrende deutsche Volkswirtschaft kann man vermutlich nicht überschätzen.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds wird verstärkt über die Schuldenbremse diskutiert. Abschaffen oder beibehalten, wofür plädieren Sie?

Auf diese Alternative lasse ich mich nicht ein. Ich will die Schuldenbremse nicht abschaffen, sondern reformieren. Die öffentliche Diskussion krankt genau an dieser zugespitzten Fragestellung. Schon ein kritischer Hinweis wird von den Gralshütern der Schuldenbremse als Angriff auf den Grundgedanken gewertet. Natürlich brauchen wir eine Fiskalregel. Das Grundgesetz hatte auch immer eine. Das Grundgesetz von 1949 hatte eine Schuldenregel, das Grundgesetz von 1969 ebenfalls, und dann ist 2009 die jetzige in die Verfassung gekommen. Man muss nur fragen, ob sie ihre Aufgabe erfüllt und angemessen ist.

Ist sie das?

Aus meiner Sicht ist die Schuldenbremse in ihrer heutigen Form aus der Zeit gefallen. Die Beschränkung der Neuverschuldung auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist nicht begründet, weder theoretisch noch empirisch. Zudem muss sie in Einklang gebracht werden mit einem anderen Verfassungsgerichtsurteil, das es zwischenzeitlich gab - dem zum Klimaschutz.

[...]

Ihnen geht es ausdrücklich nicht darum, die Schuldenbremse zu lockern, um beispielsweise in der Sozialpolitik größere Spielräume zu schaffen.

Nein, um Gottes Willen - das darf natürlich keinesfalls passieren. Was aus dem normalen Haushalt zu finanzieren ist, muss aus dem normalen Haushalt mit Steuern und Abgaben finanziert werden. Das betrifft die Sozialpolitik wie auch andere konsumtive Ausgaben. Es beträfe eigentlich auch die Verteidigungsausgaben, nur haben wir bei der Bundeswehr das Problem, dass man 16 Jahre Unterfinanzierung nicht in einem Steuerhaushalt korrigieren kann.

[...]

In diesem Jahr hat Deutschland allein für die Zinsen knapp 30 Milliarden Euro ausgegeben. Wird das nicht langsam zu teuer?

Die Frage ist nicht, wie hoch Schulden sind, sondern wie tragfähig sie sind. Die Schuldenstandsquote hat einen Zähler und einen Nenner: Im Zähler stehen die Schulden, im Nenner steht das Bruttoinlandsprodukt. Im letzten Jahr lag die Schuldenquote bei 66,3 Prozent - wir stehen also relativ gut da. Kein Unternehmen würde seine Investitionen nur aus dem Cashflow bestreiten. Wenn wir Investitionen allein aus dem Jahreshaushalt finanzieren, hieße das, dass die jeweilige Generation keinen Anlass hat, etwas zu tun, denn sie selbst hat davon ja keinen Nutzen. Für mich beispielsweise muss keine Transformation organisiert werden, ich bin 61, mit kann der Klimawandel völlig egal sein. Aber für meine Kinder und Enkelkinder ist das Thema wichtig. Es wäre zu kurz gedacht, Generationengerechtigkeit nur fiskalisch zu verstehen.

Union und FDP haben nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts betont, wie gut es sei, dass die Schuldenbremse nun gestärkt wurde. Ist damit nicht eigentlich klar, dass diese Diskussion politisch zum Scheitern verurteilt ist?

Das mag so sein, aber das werfe ich den beiden Parteien auch vor. Ich finde es intellektuell unwürdig, eine einmal zufällig gefundene Regel als heilige Veranstaltung zu bewerten. Die von Ihnen genannten Parteien berufen sich gern auf Ludwig Erhard oder auf Ordnungsökonomen wie Walter Eucken. Aber von denen hätte keiner so dürftig argumentiert, sie hätten immer gefragt: Passt die Regel in die Zeit? Ich bin der Meinung, dass wir diese Diskussion führen müssen. Sie nicht zu führen, hat uns genau dahin gebracht, wo wir jetzt stehen. Dieses Urteil ist ja nicht nur ein Desaster für die Regierung, sondern genauso für die klagende Oppositionspartei, die keine Antwort darauf hat, wie die Transformationsinvestitionen finanziert werden sollen. Eine ernsthafte, erwachsene Debatte muss doch ermöglichen, dass wir über eine Regel nachdenken, die in ihrer Zeit eine gute Begründung hatte. Dieses Tabu rund um die Schuldenbremse ärgert mich wirklich maßlos. Wenn Politik so stattfindet, dann ist sie am Ende.

805
 
 

Ein 18-Jähriger aus Hessen sitzt in Untersuchungshaft, weil er einen Anschlag auf das Leben anderer Menschen vorbereitet haben soll. Er habe eine gefestigte antisemitische und rechtsextremistische Einstellung, teilten die Ermittler mit.

Ein 18-Jähriger aus Hessen ist in Untersuchungshaft genommen worden, weil er einen Anschlag auf das Leben anderer Menschen vorbereitet haben soll. Nach den bisherigen Ermittlungen habe er eine gefestigte antisemitische und rechtsextremistische Einstellung, teilten das Landeskriminalamt (LKA) in Wiesbaden und die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main am Montag mit. Er habe mehrfach in einschlägigen Foren gedroht, für seine politischen Ziele Menschen töten zu wollen.

Den Angaben zufolge ermitteln Staatsanwaltschaft und LKA seit mehreren Monaten gegen den 18-Jährigen. Am Mittwoch wurde seine Wohnung durchsucht. Dabei fanden die Ermittler unter anderem Waffen und Munition. Erste Auswertungen der beschlagnahmten Gegenstände hätten den Tatverdacht erhärtet, hieß es.

[...]

806
 
 

Das 60-Milliarden-Euro-Loch im Klimafonds spaltet die Ampel. Die FDP möchte die Sozialausgaben kürzen, die Grünen wollen Änderungen an der Schuldenbremse.

Die Ampel-Regierung streitet um Schlussfolgerungen aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Grünen-Politiker sprachen sich für Änderungen der Schuldenbremse aus. SPD-Parteichefin Saskia Esken hatte gar dafür plädiert, die Schuldenbremse 2023 und 2024 nicht anzuwenden. Die FDP hingegen will die Schuldenbremse nicht antasten und stattdessen Sozialleistungen auf den Prüfstand stellen – sie wandten sich zudem abermals gegen Steuererhöhungen. SPD-Chef Lars Klingbeil warnte vor einem Modernisierungsstopp in Deutschland.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte in seinem Urteil vom Mittwoch untersagt, Coronakredite nachträglich für Klimaschutz und die Modernisierung der Industrie umzuwidmen. Es fehlen daher 60 Milliarden Euro im sogenannten Klima- und Transformationsfonds, einem wirtschaftlich vom Kernhaushalt getrennten Sondervermögen. Die große Frage ist, wie die Ampelkoalition dieses Finanzloch stopfen wird.

Klingbeil sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf nicht dazu führen, dass wir aufhören, unser Land zu modernisieren. Es geht uns um Arbeitsplätze und darum, dass wir ein starker Wirtschaftsstandort bleiben.“ Es brauche Investitionen und Planungssicherheit, um das Land auf Vordermann zu bringen. „Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf dem Status quo ausgeruht. Das spüren wir gerade jeden Tag, wenn Züge nicht fahren oder Brücken nicht tragen“, sagte der SPD-Parteichef.

Auch Grünen-Parteichefin Ricarda Lang machte am Sonntagabend in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ deutlich, dass sie wenig von einem strikten Sparkurs hält. Die Logik, nun müsse der Gürtel enger geschnallt werden, werde am Ende nicht funktionieren. „Denn so würden wir uns in eine wirtschaftliche und damit auch in eine soziale Krise in diesem Land hineinsparen.“ Gerade am Sozialen zu sparen, sei keine gute Idee, denn die Regierung müsse auch den sozialen Zusammenhalt erhalten. „Wir wissen, dass gerade insbesondere rechte Parteien soziale Sorgen, Ängste der Menschen immer wieder mobilisieren.“

[...]

807
808
809
 
 

Russland plante, Deutschland und Europa für Jahrzehnte an sich zu binden. Dafür spannte Altkanzler Schröder eine ganze Landesregierung ein. Es folgten politisch heikle Geschäfte.

810
811
 
 

Wie kann der Staat an die Milliarden kommen, die ihm nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fehlen? Eine Option wäre, die Schuldenbremse auszusetzen. Neben SPD und Gewerkschaften fordert das auch eine der "Wirtschaftsweisen".

Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts mehren sich Forderungen, die Schuldenbremse auszusetzen und zu reformieren. "Kurzfristig muss die Bundesregierung die Schuldenbremse nochmals aussetzen", sagte etwa Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der "Rheinischen Post". "Dafür gibt es eine gute Begründung, denn die Auswirkungen der Energiekrise sind längst nicht ausgestanden."

Das jüngste Verfassungsgerichtsurteil zeige, dass die Schuldenbremse unflexibler und investitionsfeindlicher sei, als viele in Deutschland gedacht hätten. "An einer grundlegenden Reform dieser Zukunftsbremse führt kein Weg vorbei. Die Reform sollte darauf abzielen, Nettoinvestitionen künftig von der Schuldenregel auszunehmen", sagte Körzell.

"Wirtschaftsweise": Reform höchstens mittelfristig

Auch die Vorsitzende des wirtschaftlichen Beratungsgremiums der Bundesregierung, der sogenannten Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, äußerte sich ähnlich. "Größere Spielräume für die Schuldenfinanzierung von Nettoinvestitionen" könnten Abhilfe für nun gefährdete Klimaprojekte schaffen, sagte Schnitzer. "Eine transparente Lösung könnte sein, eine erneute Ausnahme von der Schuldenbremse zu begründen mit den Auswirkungen der Energiekrise und den dadurch erforderlichen Mehraufwendungen für die Abfederung der Lasten und dem notwendigen Ausbau der Energieversorgung".

Eine grundlegende Reform erscheine allerdings höchstens mittelfristig realistisch, so Schnitzer weiter. In dieser Legislaturperiode werde sich die Politik darauf wohl nicht einigen können.

Die Schuldenbremse vorübergehend auszusetzen nannte auch der linke Flügel der SPD-Bundestagsfraktion gegenüber der Nachrichtenagentur dpa eine "eine wichtige Option". Die Schuldenbremse sei in ihrer gegenwärtigen Form ein "Zukunftsrisiko", so der Vorstand der Parlamentarischen Linken aus Wiebke Esdar, Elisabeth Kaiser, Matthias Miersch und Sönke Rix. "Sie bremst Investitionen in gute Infrastruktur, echte Digitalisierung und sichere Arbeitsplätze aus. Das schadet unserer Wirtschaft und dem Zusammenhalt in der Gesellschaft."

[...]

Lindner lehnte Aussetzen bereits ab

Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verankert, in einer Notlage - wie Corona - kann sie ausgesetzt werden. Voraussetzung für eine grundlegende Reform wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Dafür wären auch die Stimmen der Union nötig, die das aber ablehnt - ebenso wie Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP. "Wir wollen die neu gewonnene Rechtsklarheit nicht nutzen, um die Schuldenbremse zu schwächen, sondern um sie zu stärken", sagte Lindner mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

[...]

812
813
814
 
 

Viel zu lesen, aber ein toller Aufsatz zum Thema Privatsphäre und wie sie mit auf Handys geschossenen Bildern ausgehebelt wird, um sich zu bereichern.

815
816
817
 
 

Thorsten ist toll, er entwickelt eigene Tools und Stimm-modelle, für TTS also Sprachausgabe aus Text.

Leider gibt es soweit ich weiß davon noch keine verbreiteten Implementierungen, TTS-Engine für Android oder Linux, oder Screenreader.

Das Thema ist nicht nur für Fahrrad/Autonavigation wichtig, sondern essentiell für Blinde Menschen.

Momentan ist hier Apple leider vorne, Standardisierung und Priorisierung (spricht auch jede Error-Nachricht und das Boot-Menü?) sind große Probleme.

818
 
 

Das Karlsruher Urteil könnte die deutsche Wirtschaft empfindlich treffen, wie eine erste Einschätzung zeigt. Ruft die Ampel nun erneut eine Notlage aus?

Welche Folgen hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die Wirtschaft? Möglicherweise erhebliche. Denn mit den nun untersagten Milliardenausgaben sollte nicht nur das Klima geschützt, sondern auch die Unternehmen und die Haushalte gestützt werden. Wenn das Geld nun nicht fließt, dann wirkt sich das auf die Konjunktur aus. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat nun eine erste Einschätzung vorgenommen. Die Ergebnisse liegen ZEIT ONLINE vor. Wenn die Staatsausgaben gekürzt würden, dann werde das "allein im kommenden Jahr ein knappes halbes Prozent Wachstum kosten", sagt IMK-Chef Sebastian Dullien.

Noch vor dem Urteil ging die Deutsche Bank von einem Wachstum von 0,3 Prozent für 2024 aus. Wenn sich die Prognose des IMK bewahrheitet, dann würde die Wirtschaft also im kommenden Jahr erneut schrumpfen. "Deutschland droht mit dem Verfassungsgerichtsurteil zu einer Finanzpolitik gezwungen zu werden, vor der praktisch alle makroökonomischen Lehrbücher warnen", sagt Dullien.

Den Berechnungen liegt die Annahme zugrunde, dass im kommenden Jahr infolge des Urteils unter dem Strich rund 18 Milliarden Euro eingespart werden müssen. Insgesamt hatte das Gericht Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro für den Klimafonds der Bundesregierung für unrechtmäßig erklärt, davon entfällt aber nur ein Teil auf 2024. Außerdem verfügt der Fonds noch über andere Finanzquellen. Die Bundesregierung kommt intern auf ähnliche Größenordnungen.

Wenn die Staatsausgaben gesenkt werden, dann reduziert sich dadurch in den gängigen ökonomischen Modellen auch das Wirtschaftswachstum. Das IMK hat unterstellt, dass der sogenannte Multiplikator annähernd 1 beträgt. Das heißt: Ein Euro weniger Ausgaben bedeutet ein Euro weniger Wirtschaftsleistung.

[...]

Um zumindest kurzfristig Geld zu besorgen, könnten auch für spätere Jahre geplante Zahlungen aus dem Klimafonds vorgezogen werden. Dann könnten harte Einschnitte kurzfristig vermieden werden, dafür wären die Haushaltslöcher in der Zukunft umso größer. Aber damit müsste sich dann die nächste Bundesregierung befassen. Und die würde auf Basis der derzeitigen Umfragelage von der Union angeführt werden.

819
820
 
 

AfD-Mitglieder wollen den NDR besuchen und sich durchs Haus führen lassen. Und die NDR-Leitung? Stimmt zu. Das ist ein völlig falsches Signal.

Keine andere Partei im Bundestag und in den Landesparlamenten greift die Medien so pauschal und so massiv an wie die AfD. „Lügen“- oder „Systempresse“ gehört zu ihrem Jargon. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) möchte die vermeintliche Alternative nicht nur endlich die Finanzen streichen, sie will am liebsten auch die gesamte Struktur auflösen.

In Hamburg möchten sich die Feinde des ÖRR am Freitag dennoch beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Lokstedt als Besucher durchs Haus führen lassen. Die NDR-Leitung sah darin kein Problem, der Personalrat dagegen schon. Er fordert die Ausladung der Partei.

Eine gebotene Maßnahme gegen eine bedrohliche Partei. Der Geschäftsführer der AfD-Bürgerschaftsfraktion hatte beim NDR um zwei Besuchstermine für die Mit­glie­der der Fraktion und der Desiderius-Erasmus-Stiftung gebeten. Dieser Bitte kam der NDR nach, da der Sender zu „seiner Verantwortung“ stünde, im „Austausch mit allen Teilen der Gesellschaft“ zu stehen. Daher müsse die Anfrage genauso wie die von allen anderen in der Bürgerschaft vertreten Partei gehandelt werden, erklärte die Pressesprecherin Lara Louwien.

Der NDR ist nicht das einzige Medium, das just ausblendet, dass die AfD nicht wie andere Parteien ist. Die SPD, CDU, CSU, FDP, auch die Grünen und die Linke dürften nicht selten mit der Berichterstattung über ihre Politik unzufrieden sein. Doch sie laden deswegen nicht gleich die Presse aus oder verheimlichen Parteitermine vor ihnen.

[...]

Die Debatten um den Besuch stieß das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ an. Das Bündnis betonte, dass die AfD mittlerweile in zwei Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde. Dieses Argument offenbart das Dilemma. Die AfD muss dringend bundesweit einheitlich klassifiziert werden als das, was sie ist: eine rechtsextremistische Partei, die Menschenrechte und die Verfassung verachtet. Diesen Feinden – warnte schon 1931 ohne Erfolg Kurt Tucholsky – dürfen keine „Rosen auf den Weg gestreut“ werden.

821
 
 

Deutschlands Milliarden-Beteiligung am Corona-Aufbaufonds der EU verstößt nicht gegen die Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht wies die Klage der AfD-Fraktion zurück.

Eine Klage der AfD-Fraktion gegen die Beteiligung Deutschlands am Corona-Hilfsfonds der Europäischen Union ist vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Das Gericht verwarf die Klage als unzulässig.

Bereits im Dezember hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Deutschland sich an dem Hilfsfonds beteiligen darf. Damals war es um andere Klagen gegangen.

Dieser Artikel wird weiter aktualisiert.

822
 
 

Die zwei Grundfragen jeder Modernisierungspolitik lauten: Woher kommt das Geld? Und will die Gesellschaft das überhaupt? Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind nun beide Fragen unbeantwortet.

Ausgerechnet die alte Groko ist wieder zum Wunschbild vieler Deutscher geworden. Das Regierungsbündnis also, das den Modernisierungsstau, über den die Ampelkoalition gerade stolpert, letztlich zu verantworten hat. Denn zwei Dinge haben die Projekte gemeinsam, die der von Karlsruhe gestoppte Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanzieren sollte: Sie stehen nun auf der Kippe. Und sie hätten schon vor Jahren angeschoben werden sollen, nein: müssen.

Klima- und Transformationspolitik ist mittlerweile so populär wie Fußpilz. Dass über Jahre zu wenig in die analoge und digitale Infrastruktur investiert wurde, dass viele Schulen in peinlichem Zustand, Brücken marode, Schienen nicht befahrbar und Windräder nicht in ausreichendem Maße aufgestellt worden sind - das alles ist aus Sicht vieler Menschen offenbar nicht so schlimm wie die in Beton gegossene Schuldenbremse und der Wunsch nach Ruhe im Regierungsbündnis.

Der "schwäbischen Hausfrau" war der ausgeglichene Haushalt so wichtig, dass sie nicht merkte, wie ihre Wohnung immer gammeliger wurde. Dabei wissen echte Schwaben, dass Besitz gepflegt werden muss. Für diese Pflege fehlen nun 60 Milliarden Euro, vielleicht mehr, wenn die Union auch noch, wie gestern angedroht, gegen den Wirtschaftsstabilitätsfonds klagen und dieser sich dann ebenfalls als verfassungswidrig herausstellen sollte. Das ist eine Katastrophe - für uns alle.

Denn die Ampel hat nicht nur ein schweres Erbe angetreten, sie hat sich auch als genauso stark zerstrittene Nachlassgemeinschaft herausgestellt, wie befürchtet worden war. Zwar ist die allgemeine Verdamnis der Ampel-Arbeit nicht fair: die Sicherung der Energieversorgung im vergangenen Winter, das Deutschlandticket, der 12-Euro-Mindestlohn, das Hochfahren der Energiewende, die zwar zögerliche, aber doch beispiellose Unterstützung der Ukraine - all das sind nur Beispiele dafür, dass diese Koalition auch vieles richtig gemacht hat.

[...]

Dennoch steht die Politik der Ampel seit gestern unter einem massiven Finanzierungsvorbehalt. Fratzscher hofft deshalb, dass das Urteil zu einer Reform der Schuldenbremse führen wird: "Sie ist nicht zeitgemäß, weil sie der Politik notwendigen Spielraum nimmt, um Krisen zu bekämpfen und dringende Zukunftsinvestitionen zu tätigen - in Bildung, Klimaschutz, Innovation und Infrastruktur."

Das sieht nicht nur Fratzscher so, auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hält die Schuldenbremse für "aus der Zeit gefallen". Die Transformation zur Klimaneutralität erfordere andere Lösungen - "aus Gründen der Effizienz und der Generationengerechtigkeit". Der IW-Chef rechnet vor, dass es den Spielraum dafür gäbe: Auch bei einer Anhebung der Schuldenbremse von 0,35 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts würden die deutschen Staatsschulden deutlich sinken. "Das würde allein im kommenden Jahr eine zusätzliche Verschuldung von rund 50 Milliarden Euro erlauben, ohne die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen zu gefährden."

Sowohl mit der FDP als auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz wird dies allerdings nicht zu machen sein, und auch eine unionsgeführte Regierung würde eine Reform der Schuldenbremse scheuen wie der Teufel das Weihwasser - zu vergiftet ist die politische Debatte rings um das Thema. CDU-Chef Friedrich Merz kündigte bereits an, von der Union werde die Ampel für eine Lockerung der Schuldenbremse "keine Zustimmung bekommen".

Union und FDP dürfen darauf hoffen, für ihre Haltung zur Schuldenbremse in den Umfragen belohnt zu werden. Die Politik der Ampel, sich mit haushaltspolitischen Tricks den Spielraum für eine Modernisierung des Landes zu schaffen, ist krachend gescheitert. Ob sie die anstehenden Konflikte übersteht, ist ungewiss - ob eine Nachfolgeregierung die Kraft zu einer nachhaltigen Modernisierungspolitik findet, noch viel ungewisser. Hier liegt die Katastrophe. Die Politik hat sich in eine Sackgasse hineindiskutiert.

823
824
825
 
 

Als jüngster Abgeordneter zog Daniel Halemba in den Bayerischen Landtag ein. Dann wurde ein Haftbefehl gegen ihn erlassen. Über eine Karriere, beispielhaft für die Radikalisierung der AfD

view more: ‹ prev next ›