Kaum war das Urteil gesprochen, da guckten sich die beiden Angeklagten ratlos um. Damit hatten sie nicht gerechnet. Im Prozess um gekaufte Noten an der Universität Duisburg-Essen sind eine ehemalige Uni-Angestellte und ihr Komplize am Dienstag zu Gefängnisstrafen verurteilt worden.
Im Fall der 42-Jährigen haben die Richter am Essener Landgericht drei Jahre und neun Monate Haft verhängt. Gegen den 39-jährigen Ex-Studenten wurden drei Jahre Haft verhängt. Die Urteile lauten auf Bestechlichkeit und Bestechung. Die Angeklagten selbst hatten bis zuletzt auf Bewährungsstrafen gehofft.
„Durch die Taten der Angeklagten ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in staatliche Prüfungsverfahren erschüttert worden“, sagte Richterin Friederike Sommer bei der Urteilsbegründung.
Die Vorwürfe gehen auf die Jahre 2017 bis 2021 zurück. Unter den Studierenden hatte sich herumgesprochen, dass sie ihre Noten im Bereich Wirtschaftswissenschaften gegen heimliche Geldzahlungen verbessern konnten. Billig war die Sache allerdings nicht. Für ein „Bestanden“ mussten sie anfangs 500 Euro zahlen, später sogar 900 Euro. Wer mehr als eine „4,0“ wollte, musste noch was drauflegen – 50 Euro pro 0,3-Notenschritt. „Die Angeklagten sind gierig geworden“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer.
Über 120 Klausurergebnisse von mindestens 35 Studierenden wurden laut Urteil manipuliert. Dass der Betrug nicht auffiel, hatte mit der besonderen Stellung der ehemaligen Sachbearbeiterin zu tun. Die 42-Jährige hatte Zugang zur internen IT der Universität, Kontrollen gab es nicht.
Die Studierenden selbst hat sie nie gesehen. Die „Akquise“ übernahm ihr mitangeklagter Komplize, mit dem sie auch privat befreundet war. Der 39-Jährige sammelte das Geld ein, gab die Wunschnoten samt Namen und Matrikelnummer in einem Umschlag weiter. Lange schöpfte niemand Verdacht. Bis es plötzlich einen anonymen Hinweis gab. Wer der Absender war, wurde nie bekannt.
„Es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht frage, wie bescheuert und naiv man sein muss, um sich zu den Taten verleiten zu lassen“, sagte die Ex-Angestellte den Richtern kurz vor der Urteilsverkündung und kämpfte dabei mit den Tränen. Auch der ehemalige Student war voller Reue. Er hatte sich sogar seinen eigenen Bachelor-Abschluss erschlichen. Aus einer wiederholten „5“ im Fach Organisation wurde so eine 3,3. „Ich habe genug gelitten“, sagte er den Richtern mit einem Hauch von Selbstmitleid.
Insgesamt kassierten die Angeklagten über 90.000 Euro von den Studierenden und teilten anschließend hälftig. Das Geld floss in den allgemeinen Lebensunterhalt und auch in die Hochzeit des 39-Jährigen. Laut Urteil muss die Summe nun an den Staat zurückgezahlt werden.
Weil der Bestechungs-Skandal schon vor acht Jahren angefangen hat, waren viele der Studierenden schon in festen Jobs, als die Vorwürfe bekannt wurden. „Es ist gar nicht abzusehen, welche Folgen das haben kann“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. „Uni-Absolventen arbeiten an Stellen, für die sie gar nicht ausgebildet sind, weil sie die entsprechenden Noten und Leistungen nicht erbracht haben.“
Den meisten von ihnen sind die Abschlüsse inzwischen allerdings wieder aberkannt worden. Einige haben dagegen jedoch geklagt. Außerdem wurden sie in parallelen Verfahren am Amtsgericht verurteilt – zu Geld- oder Bewährungsstrafen.