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So unsympathisch ich Herrn Streek auch finde und so unmenschlich der Vorschlag auf den ersten Blick auch klingen mag, finde ich das durchaus ein wichtiges Thema, das vielleicht nicht so umgesetzt werden sollte, aber zumindest mehr Aufmerksamkeit und öffentlichen Diskurs verdient hat.
Angekommen unser gesamtes Gesundheitsbudget in Deutschland von allen Beitragszahlenden zusammen beträgt 1000€, dann können wir auch nur 1000€ ausgeben. Wir kommen natürlich die Beiträge erhöhen, aber auch wenn wir es verzehnfachen ist und bleibt das Budget endlich.
Von einem endlichen Budget können aber leider nicht unendlich viele gesundheitliche Maßnahmen bezahlt werden. Also muss man abwägen, wo ein Euro eingesetztes Budget am meisten Mehrwert liefert.
Diesen Mehrwert objektiv zu quantifizieren ist im Gesundheitswesen nicht leicht, da an jeder Entscheidung eben Schicksale hängen. Ein Ansatz, der eben dies versucht sind sogenannte Qualitätskorrigierte Lebensjahre:
https://de.wikipedia.org/wiki/Qualit%C3%A4tskorrigiertes_Lebensjahr
Dieses Konzept bewertet eine Maßnahme danach...
Diese Kennzahl aus Qualitätszuwachs x Jahre kann ich dann ins Verhältnis setzen zu erwarteten Kosten, Zeitaufwand oder auch Leid (z.B. durch Nebenwirkungen) während der Behandlung, um verschiedene Maßnahmen bewerten und vergleichen zu können.
Ethisch und moralisch ist man bei solchen Überlegungen auf ganz dünnem Eis und ganz nah dran an Triage, Euthanasie und Co., aber solange niemand eine Lösung findet, wie man mit begrenzten Ressourcen immer sofort, ohne Wartezeiten alle auch nur minimal hilfreichen Maßnahmen für alle Patienten ermöglichen kann, wird man wohl oder übel irgendwie Prioritäten setzen müssen.
Und das ist auch kein neues Thema. Das passiert alles schon längst (z.B. bei der Vergabe von Spenderorganen). Nur eben ohne große Aufmerksamkeit und schlimmstenfalls nach umgerechten Kriterien. Und zumindest mir ist eine ehrliche Debatte deutlich lieber als wegschauen.
Im Nachspiel der Anschläge von 11.09.2001 wurde eine Variante des Trolley Problems in Form entführter Flugzeuge diskutiert. Das deutsche Luftischerheitsgesetzt erhielt 2005 einen Passus, dass in solchen Fällen die Streitkräfte den Flieger abschießen dürfen, wenn dadurch mehr Leben gerettet werden und keine andere Möglichkeit mehr bestehe. Das BVerfG hat dann 2006 beschlossen, dass diese Ermächtigung nicht rechtens sei:
Quelle: BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 15. Februar 2006 - 1 BvR 357/05 -, Rn. 1-156, https://www.bverfg.de/e/rs20060215_1bvr035705
Somit würde ich behaupten, das Thema wurde zumindest im Gerichtssaal und im Kontext der aktiven Tötung schon besprochen. Zumindest scheint das BVerfG der Ansicht, dass Töten schlimmer sei als Sterbenlassen, auch wenn das Ergebnis dasselbe ist. Ob das auch für die passive Priorisierung von Leben gilt, weiß ich nicht.
Dass die Praxis vom rechtlichen oder moralischen Ideal abweichen muss, wo die Realität diesem in die Quere kommt, ist aber klar. Zuteilung von Ressourcen in Engpässen (sei das ein Mangel an Budget, medizinischem Material und Personal, Lebensmitteln oder was auch immer) ist zwangsläufig unfair.
Historisch war das insbesondere bei Bauern in der Vormoderne ein häufiges Problem, dass eine schlechte Ernte für Nahrungsknappheit sorgte, und sie entsprechend rationieren mussten. Damit nicht die nächste Ernte noch schlechter wird, wurden diejenigen bevorzugt, die nun mal für die Nahrungsbeschaffung zuständig waren.
Das ist heute für viele ein unangenehmer Gedanke. Moderne Industrie ist weniger von der persönlichen Leistungsfähigkeit abhängig, da fällt das weniger ins Gewicht. Die Gleichheit, die wir anstreben, ist ein Luxus den uns die Technologie ermöglichen sollte.
Da wo er aber nicht umsetzbar ist, stimme ich dir völlig zu: Wir sollten diese Problematik zumindest konfrontieren.
Ein aktives Handeln (töten) ist etwas grundlegend anderes als priorisieren und verweigern.
Du hast gerade das Trolley Problem beschrieben.
Laut/Entsprechend dem vorigen Kommentar hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, wie zu handeln ist. Jedenfalls nicht mit dem "Umstellen der Weiche".
Dann können ja jetzt alle Ethiker nach Hause gehen, weil das Bundesverfassungsgericht das Trolleyproblem gelöst hat
Ethiker sind doch nicht nur dem Bundesverfassungsgericht zu einer Entscheidung dienlich, und auch nicht nur in dieser Frage.
Das ist doch gar nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass diese Aussage "Ein aktives Handeln (töten) ist etwas grundlegend anderes als priorisieren und verweigern." keine allgemeingültigkeit besitzt. Und auch eine Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht ist keine Absolution, sondern spiegelt die Auffassung der Richter und den Zeitgeist wider