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Nach diesen Gesprächen ergibt sich ein deutlich anderes Bild der von Beginn an martialisch angelegten Polizeiplanung. »Sie sind reingelaufen wie bei einem Einsatz gegen Schwerverbrecher«, sagt González zu »nd«. Die Sicherungen seien von außen abgestellt worden, anschließend habe die Polizei versucht, die Tür aufzubrechen. Als die Mutter aus der Dunkelheit der Wohnung heraus öffnete, hätten alle Polizist*innen ihre Waffen gezogen. »Die Eskalation entspricht nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen im Umgang mit vulnerablen, eingeschränkten Menschen«, sagt der Anwalt zu »nd«.
Tage nach dem Einsatz stellte sich auch heraus, dass die Mutter von dem Polizeitrupp auf dem Boden »fixiert« wurde, bevor die Schüsse auf das Mädchen erfolgten – die Polizei hatte dies andersherum dargestellt. Inzwischen wurde auch bekannt, dass die Bodycams der Beamt*innen während des Einsatzes nicht eingeschaltet waren; angeblich, weil es sich um einen »Routine-Einsatz« gehandelt habe. Dem WDR teilte das nordrhein-westfälische Innenministerium am Montag mit, die Polizei sei in diesem Fall »nicht von einer Gefahrensituation ausgegangen«. Auch diese Version steht im Widerspruch zu den Ausführungen des Anwalts.
González kritisiert zudem die behördlichen Angaben zum Gesundheitszustand des Mädchens, die nach inzwischen drei Operationen in keinem Fall »den wirklichen, dramatischen Tatsachen« entsprochen hätten. Die Polizei habe den Zustand gar nicht beurteilen können, da weder Klinik noch Verantwortliche medizinische Details weitergegeben hätten. Außerdem seien die Gesundheitsdaten des Kindes hochsensibel. »Das schafft aufseiten der Familie meiner Mandantin jedenfalls kein Vertrauen in eine objektive Ermittlung der Geschehnisse und lässt an der Neutralität der ermittelnden Behörden leider grundlegend zweifeln«, sagt er.
Die Öffentlichkeitsarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenministerium bezeichnet González als »schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung« der Zwölfjährigen. Das gelte ebenso für die Medienberichterstattung, durch die das Wohnhaus und damit die Familie identifizierbar seien. Einige Medien hätten zudem Kinderfotos veröffentlicht.
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Nach aktueller Faktenlage ist davon auszugehen, dass der Cop das Kind zur eigenen Belustigung beschossen hat, weil er sonst die Bodycam hätte laufen lassen.
Ich gehöre definitiv nicht zu den Leuten die Polizisten pauschal über einen (negativen) Kamm scheren und weiße auch immer wieder darauf hin, dass es in der deutschen Polizei beim besten Willen kein systemisches Problem mit exzessivem Schusswaffengebrauch gibt, aber wenn du trotz vorhandener Bodycam auf mutmaßlich unbewaffnete Kinder schießt, dann bist du halt wirklich ein Problem und gehörst dafür auch langjährig als versuchter Kindermörder hinter Gitter.
Der Schütze hatte gemutmaßt, dass die 12-jährige mit zwei Messern bewaffnet war. Die Katastrophe war dadurch vorprogrammiert, dass die Polizisten in ihrer Vorbereitung offensichtlich von einem gefährlichen Einsatz ausgegangen sind und so unter Stress standen, dass sie nur Mist gebaut haben. Dass die Bodycams nicht liefen, würde ich als weiteren Hinweis auf stressbedingte Fehler interpretieren.
Ok, oder sie haben die Gelegenheit genutzt, Rambo zu spielen.
Ich bin mir unsicher, was ich schlimmer fände – Polizeirambos sind eine Bedrohung, könnte man aber einfach suspendieren und alles wäre gut, aber wenn diese Polizisten bei einem Einsatz zur Suche nach einer weggelaufenen 12-jährigen Gehörlosen so unter Stress kommen, dass sie ihre Bodycams vergessen und Messer sehen, wo keine sind, braucht es eine grundsätzliche Neuqualifikation und Reorganisation.