this post was submitted on 24 Nov 2025
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Verkehrswende

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In dieser deutschsprachigen Community dreht sich alles um das Thema Verkehrswende. Welche Entwicklungen gibt es in diesem Bereich? Wo hängt es?

In this German-speaking community, everything revolves around the topic Mobility transition. What developments are there in this area? Where are the problems?

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Ich finde, dass Car-Sharing in der Diskussion um eine Mobilitätswende auch in einer völlig anderen Größenordnung als bisher diskutiert werden könnte. Ohne weitere Vorrede möchte ich mal eine Visualisierung und eine Beispielrechnung zur Diskussion stellen.

Ausklappen

Visualisierung: Grobe Skizze, von den Autoreihen abgesehen nicht die typischste Wohnstraße, aber ich hatte eben mit dem Foto angefangen... Einzelbilder auf Pixelfed.

Sharing-Straße

Stand jetzt parken in einer Straße 100% PKW im Privatbesitz, sagen wir 100 Fahrzeuge.

Transformation:

  • 50 Parkplätze/Autos werden reduziert. Alle verbleibenden Parkplätze befinden sich auf einer Seite. Auf der anderen Seite wird der frei gewordene Platz umgenutzt (Begrünung, Radweg, Sitzgelegenheiten...)

  • 25 Autos von Leuten, die nicht mitmachen wollen, parken hier weiterhin.

  • 25 Sharing-Autos (elektrisch, nur EE) stehen - erstmal exklusiv – den Anwohner*innen der Straße zur Verfügung.

Die 25 Sharing-Autos sollen also (mindestens) die Mobilitätsbedürfnisse erfüllen, die vorher 75 erfüllt haben – und auch diejenigen der Anwohner*innen, die vorher kein Auto hier stehen hatten.
Man findet Schätzungen, dass heute 1 Sharing-Fahrzeug zwischen 4 und 10 andere ersetzen kann. Solche Rechnungen werden wohl immer kontrovers diskutiert werden, aber immerhin unterschreitet die Beispielrechnung diese Spanne. Entscheidend ist letztlich sowieso eine Lösung, die auf die individuelle Straße zugeschnitten ist.

Grober Ablauf

(Beteiligt wären Kommune, Forschungseinrichtungen und Zivilgesellschaft. Eine Initiative könnte zu 1-4 vorarbeiten)

  1. Geeignete Straßen aussuchen: Vollgeparkte Straßen, in denen v. a. Anwohner*innen parken.

  2. Grobe Erfassung: Wieviel Wechsel in der Belegung findet statt? Wann?

  3. Befragung: Zu Mobilitätsmustern – und einstellungen der Anwohner*innen, zu ihrer Bereitschaft an einem Pilotprojekt teilzunehmen. Nur bei genügend Rücklauf und Interesse geht es weiter.

  4. Individuelles Konzept für die Reduktion von 100% private PKW auf 25% in dieser Straße.

  5. Umsetzung (Bei einem Pilotversuch würden die reduzierten PKW für die Dauer an anderer Stelle ‚eingelagert’)

  6. Analyse und ggf. Verstetigung.

Feedback?

Ein paar Vor- und Nachteile sind mir bisher eingefallen, aber ich möchte nichts vorwegnehmen. Ich würde mich freuen, wenn ihr eure Einschätzungen dazu geben würdet. Vielleicht am besten unterteilt in Kommentare zu

a) Folgen für Beteiligte und für Verkehrswende (Positiv, negativ, gemischt? Lohnt Aufwand, lohnt nicht?)

b) Umsetzung (Schwierigkeiten, konkrete Ideen/Varianten)

top 15 comments
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[–] rbn@sopuli.xyz 4 points 4 weeks ago (1 children)

Finde ich sehr interessant und würde ich auch gerne nutzen so ein Konzept, wenn die Preise annähernd vergleichbar sind mit denen eines normalen PKW. Gerade die breite Modellpalette ist halt super spannend, dass man dann eher zwischen Microcar und Transporter wählen könnte je nach Anforderung.

Ich denke, das größte Problem beim Umstieg auf Sharing wird die Negativitätsverzerrung. Wir nehmen Probleme viel stärker wahr als positive Dinge und behalten sie viel stärker in Erinnerung. Wenn also jemand einmal ein Fahrzeug nutzen wollte, es war aber genau dann keines verfügbar, es war total verdreckt, nicht geladen o.ä. werden einige das gleich als "Sharing funktioniert nicht" abstempeln, obwohl es vielleicht vorher 10 mal gut funktioniert hat.

An objektiven Problemen könnte ich mir die geringere Spontanität und Mehrtagesausleihen zu Lastspitzen vorstellen. Wenn z.B. viele ein Fahrzeug übers lange Wochenende ausleihen möchten, gehen ggf. manche leer aus. Um dem entgegenwirken zu können, müssten die Fahrzeuge am besten einem überregionalen Pool angehören und nicht nur für die eigene Straße. Dann könnte man mit einem Auto von Stuttgart an die Ostsee und jemand anders von der Ostsee weiter fahren und man selbst paar Tage später ein anderes Fahrzeug zurück.

[–] borisentiu@feddit.org 1 points 4 weeks ago (1 children)

Vielen Dank für dein Feedback!

  • Preise: Bezahlbare Preise wären wichtig - vielleicht nur nicht so günstig, dass z.B. der ÖPNV im Vergleich zu schlecht abschneidet. In der Kommunikation könnte man auch die gesammelten Kosten des PKW-Besitzes hervorheben.
  • breite Modellpalette: Auch für mich ein wichtiges Argument, hat deshalb gut gepasst, dass da ein Transporter stand.
  • Negativitätsverzerrung: Gewisse Hoffnung, dass die Fahrzeuge vor der eigenen Haustüre vielleicht etwas pfleglicher behandelt werden? Die Verfügbarkeit würde hier zumindest gegenüber dem normalen Carsharing vielleicht als größer empfunden.
  • Überregionaler Pool: Vermutlich sollte man das einfache Grundmodell eh aufsplitten. Dann könnte man einen Teil der 25 Sharing-Plätze in einen solchen größeren Kreislauf einbinden. Für den Anfang würde ich mich aber intuitiv am sehr Lokalen orientieren, weil das nahe am Gewohnten ist und die Neuerungen einrahmt.
[–] rbn@sopuli.xyz 3 points 4 weeks ago (1 children)

vielleicht nur nicht so günstig, dass z.B. der ÖPNV im Vergleich zu schlecht abschneidet

Könnte man sicher auch gut durch Kombi-Angebote aktiv promoten. Zum Beispiel Rabatte für Deutschland-Ticket-Inhaber oder Fahrten zu Bahnhöfen / P&R-Parkplätzen o.ä.

dass die Fahrzeuge vor der eigenen Haustüre vielleicht etwas pfleglicher behandelt werden

Hier könnte ich mir vorstellen, dass das im ländlichen Bereich sogar besser funktioniert. Wenn da Dieter immer seinen Müll liegen lässt, spricht sich das rum und es wird die Nase gerümpft. In der Stadt sind die Nachbarschaften oft viel anonymer und der soziale Konformitätsdruck entsprechend geringer.

Fragst du das eigentlich nur rein hypothetisch oder bist du in einer planenden Funktion für ein solches Projekt? Fände ich wirklich spannend zu sehen, wie viele Anwohner man für so ein Projekt wirklich gewinnen könnte über alle Altersschichten, finananziellen Situationen etc. hinweg.

[–] borisentiu@feddit.org 1 points 4 weeks ago (1 children)

Bin in keiner Funktion und auch nicht vom Fach. Dachte, mal zusammen brainstormen und dann ggf. weitersehen... Mich würden die Ergebnisse solcher Befragungen auf Straßenebene als Ergänzung zu den allgemeineren Umfragen bzw. Daten auch schon interessieren.

Kombi-Angebote find ich gut! Man sollte mMn definitiv die anderen Verkehrsmittel integrieren bei der Aushandlung und Kommunikation mit den Beteiligten.

[–] rbn@sopuli.xyz 2 points 4 weeks ago (1 children)

Soviel ich weiß ist im Raum Stuttgart die KEA für solche Ideen und Konzepte zuständig. Kannst ja mal mit denen Kontakt aufnehmen, falls du auf "revolutionäre" Ideen stößt. ;)

https://www.kea-bw.de/nachhaltige-mobilitaet

[–] borisentiu@feddit.org 1 points 4 weeks ago

Danke für den Hinweis! Die Revolution könnte allerdings überall beginnen ;-)

[–] Diplomjodler@feddit.org 4 points 4 weeks ago (1 children)

Aber die armen Autos! Wo sollen denn die armen Autos parken? *bekommt Herzkammerflimmern*

[–] borisentiu@feddit.org 4 points 4 weeks ago

Der Platz wird u. a. für Defibrillatoren genutzt werden.

[–] Noriya@feddit.org 3 points 4 weeks ago* (last edited 4 weeks ago) (1 children)

Ich für meinen Teil habe tatsächlich mal mit dem Gedanken als experiment herumgespielt, mein altes Auto (BJ 2013) abzugeben und ein Carsharing zu nutzen. Ich wohne auf dem Land und habe einen Anschluss an die Regionalbahn. Diese zickt jedoch öfter mal rum.

Für meinen täglichen Pendelweg, der ca 80km entfernt liegt ist dieses günstiger als mit dem Auto.

Es gibt jedoch immer mal so Themen da ist es gut auf ein Auto zurückzugreifen, denn für einen kleinen Termin 4h mit dem Kind unterwegs zu sein, ist unverhältnismäßig, wenn ich für den Termin und Fahrt sonst nur eine Stunde insgesamt benötige. Zeit ist jedoch Luxus.

Wenn ich nun aber nach einem Kleinwagen zum Ausleihen suche gibt es hier nichts, schon gar nicht für unter 60€ / Tag. Selbst in der nächsten 50km entfernten größeren Stadt gibt es nur die sehr teureren Angebote.

Mir fehlt so wirklich das attraktive Angebot, wenn ich für 20 mal im Jahr Ausleihen schon mehr bezahle als für meinen Privatwagen, lohnt sich das für mich nicht, noch weniger für den zeitlichen Zusatzaufwand um das Auto dort zu haben wo ich es auch benötige.

[–] borisentiu@feddit.org 2 points 4 weeks ago (1 children)

Vielen Dank für deine Perspektive! Ich denke auch, im ländlichen Bereich gibt es Nachholbedarf, um zumindest ein vergleichbares Level zu städtischen Carsharing-Angeboten zu erreichen. In Baden-Württemberg nutze ich auch öfter mal einen Anbieter, der da in die Fläche geht. Das Netz wird weiter dichter und die Optionen ohne eigenes Auto für mich besser. Aber für bessere Leistbarkeit und eine größere Zahl verfügbarer Fahrzeuge bräuchte es da auch die Zielvorstellung 'Unser Ort kriegt Mobilität auch mit weniger Autos hin!'

Als motivierendes Bild hätte ich dann weniger die 'befreite' Straßenseite vor Augen, sondern vielleicht so etwas wie eine sternförmige Verteilung von einigen Sharing-Autos im Ort (statt 1-2 im Ortskern, wie es das hier immerhin schon gibt). Und dazu wären halt so Sachen wie Ruftaxi/bus und kürzere Bustakte hilfreich.

[–] Noriya@feddit.org 2 points 3 weeks ago (1 children)

Ich kann verstehen, dass es für die Carsharing-Anbieter auf dem Lan möglicherweise ein wenig Aufwand bedeutet ihre Flotte zu betreuen.

Schön wäre es ja auch, wenn hier ggf. auch regionale Fördermittel da ein wenig für Starthilfe sorgen. Es ist bekanntlich das Hänne-Ei-Problem. Ich schätze jedoch, dass bei den Umdenkenden da durchaus eine weiterer Anstupser entstünde. Bei mir steht das Auto tatsächlich die meiste Zeit nur auf seinem Parkplatz 🅿️, wirtschaftlich und ökologischer wäre es, wenn es weniger Autos insgesamt wären, dann aber eben fast immer in Bewegung.

Auch das Stadtbild ist dann viel angenehmer mit weniger rumstehendem Blech rechts und links.

[–] borisentiu@feddit.org 2 points 3 weeks ago

Ja, regionale Förderung und Aufmerksamkeit wäre wünschenswert. Was die Autos angeht, die nun schon mal in der Welt sind und rumstehen, gibt es ja noch die private und die über eine Plattform vermittelte Ausleihe. Mit letzterer hab ich gar keine Erfahrung, aber im Mix kann das auch seinen Part spielen. Ist wohl noch eine sehr kleine Nische, könnte man auch mal vorantreiben.

[–] dubak@feddit.org 3 points 4 weeks ago (2 children)

Die Visualisierung ist nett aber rechtlich lässt sich das in DE nicht umsetzen, auch nicht als Verkehrsversuch.

  • Auch ein Verkehrsversuch benötigt einer Begründung welche vor Gericht standhalten muss.

  • Am ehesten lässt sich auf der abgebildeten Straße eine Fahrradstraße (Anlieger frei 🙄) durchsetzen. Diese hat natürlich andere Designvorgaben als dein Konzept. Ich bin mir nicht sicher ob Carsharing-Parkplätze auf einer Fahrradstraße überhaupt rechtlich zulässig sind. Es würde auf jeden Fall die Hälfte der Parkplätze wegfallen.

  • Wenn Parkplätze wegfallen muss man sich auf eine langwierige Anwohnerbefragung und Beteiligung vorbereiten. Ab ca. 5 Parkplätzen erscheinen regelmäßig Zeitungsartikel in dem Lokalblatt der DuMont/Funke-Gruppe in welchen SPDU-Kommunalpolitiker deine Idee für falsch und gescheitert erklären (inkl. der Fotos von Rentnern die auf die Parkplätze zeigen).

  • Kommunalratskoalition und Verkehrsdezernat muss grün-rot besetzt sein, sonst gibt es keine politische Unterstützung für die Fahrradstraße. 50 Parkplätze sind dann auch für grün-rot eine Hausnummer und die Fahrradstraße wird in Etappen umgesetzt werden müssen.

  • Carsharing-Parkplätze werden von Falschparkern zugeparkt und das Bußgeldkatalog lässt hier keine effektive Rechtsdurchsetzung zu.

[–] polle@feddit.org 1 points 4 weeks ago

Carsharing-Parkplätze werden von Falschparkern zugeparkt und das Bußgeldkatalog lässt hier keine effektive Rechtsdurchsetzung zu.

Das kann ich nicht bestätigen, das Funktioniert sogar in München. Dort zu parken kostet auch mehr Strafe als normales falschparken.

[–] borisentiu@feddit.org 1 points 4 weeks ago

Vielen Dank für deine Informationen! Die Rechtslage habe ich diffus als schweren Brocken angenommen, der theoretisch angepasst werden könnte, wenn erstmal der schwere Brocken 'Widerstand von Teilen der Politik und Gesellschaft' überwunden wäre. Auch für eine solche Debatte müsste man sich aber Gedanken machen, was rechtlich der gangbarste (neue) Weg wäre.

Einerseits bin ich trotzdem neugierig, ob wir nach der Diskussion etwas in der Richtung als wünschenswert erachten würden. Andererseits gibt es natürlich genug Maßnahmen, die nur politisch-gesellschaftlich schwierig sind und nicht auch noch in dieser Art rechtlich.